Mittwoch, 8. August 2012

The Dark Knight Rises (USA, 2012)

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Regie: Christopher Nolan
Mit: Christian Bale, Gary Oldman, Anne Hathaway, Tom Hardy, Joseph Gordon-Levitt, Marion Cotillard, Morgan Freeman, Michael Caine, Matthew Modine

 Trailer


Ein bisschen Spektakel und wenig dazwischen

Ein löchriges Drehbuch, eine absehbare Dramaturgie, papierene Figuren, jede Menge Technik, viel Schall und Rauch. Nein, das hier wird kein Loblied auf den neuen Batman. Doch keine Kritik ohne Lob: Die spannende erste Sequenz in der Luft: mehr davon! Catwoman Anne Hathaway zerlegt mittels Yogaeinlage einen Schlipsträger und steigt mit rotem Lippenstift auf Batmans Männertraummotorrad: Hurra! Und dann sind da die eindrücklich choreographierten Explosionen in New York aus der Vogelperspektive. Habe ich New York gesagt? Oops, in Gotham, also mit East River, Hudson, Fifth Avenue und so, alles da. Aber egal. Ein bisschen Großes Kino ist da schon  drin.

Am Anfang war – kein Licht. Beim production design der Batmanfilme ist der Spielraum bekanntlich beschränkt: viel Dunkel, viel Nacht, diesmal noch viel Kanalisation und Höhle, das mag einem liegen oder nicht, mich macht es auf Dauer schläfrig, gelegentlich möchte man rufen: macht doch mal das Licht an! Wirklich großartig aber ist der mit alten Büromöbeln kunstvoll hochgebaute Volksgerichthof, sinnbildlich wohl als eine Art Vulkan des Volkszorns gedacht, in dem die Pseudorevolutionäre in der Gefolgschaft Banes die korrupten ehemaligen Vertreter der Stadt aburteilen. Die alternativen Urteile: Tod oder Asyl (gleich Tod). Die Revolution ist kaschierter Faschismus, Freisler läßt grüßen. Unten mehr dazu.
Wenden wir uns zunächst Bane zu, dem die schwierige Aufgabe zufällt, das Erbe von Heath Ledgers Joker anzutreten: Dieser Maskenmann der anderen Art beeindruckt zu Beginn durch seine Physis – eine Wrestlerfigur eben, ein Fleischklumpen. Und durch seine comichaft hässliche, vogelspinnenartige Maske, die man ihm aufs Gesicht gedrückt hat. Das Problem: Seine Trümpfe sind rasch ausgespielt, man kapiert sofort: ja, er ist stark. Wow. Damit hat es sich aber auch, denn seine Entwicklungsfähigkeit kann mit dem Repertoire eines durchschnittlichen Wrestlers nicht mithalten, dazu ist die Maske zu groß, sie verunmöglicht jedes Minenspiel. Das war zwar bei Darth Vader nicht anders, doch Luke Skywalkers Daddy hatte mythische Größe. Dr. Hannibal Lecter, der andere legendäre Maskenmann, hatte seine bösen blauen Augen, und eine Stimme, die trotz Maulkorb Tonlagen zuließ. Banes Stimme aber klingt so bescheuert nach Gruselfilm, dass man dauernd lachen möchte. Manche Mittel, das Böse darzustellen, scheinen einfach aufgebraucht oder sind zumindest schwer zu toppen. Nach Star Wars und The Silence of the Lambs genügt es nicht mehr, einem Muskelfreak einen Wildledermantel mit aufgestelltem Kragen umzuhängen und ihn heiser rumbrüllen zu lassen. Das nimmt kein Mensch ernst.
Kommen wir zu einigen blinkenden Pfeilen in der Dramaturgie, und zwar den Plotpoints, die als Spannungsbogen dienen und zur Kardinalsfrage führen: Wie soll das gut gehen? Wie soll dieser geschwächte Bruce Wayne dieses Monster besiegen? Na ja, wer ein bisschen Homer gelesen oder Troy gesehen hat, weiß um die Funktion einer Achillesferse und die Rolle von Prophetien, wie sie der treue Diener Alfred (Michael Caine) als Wunschtraum formuliert. Damit ist in The Dark Knight Rises im Grunde schon nach rund 15 Minuten klar, wie Batman den übermächtigen Bösewicht überwältigen – und was die letzte Einstellung des Films sein wird. Ich sage nur: Fernet-Branca.
Die Absehbarkeit reicht aber weiter: eine Figur wie Leutnant Foley (Matthew Modine) ist für den späten Heldentod prädestiniert, weil er sich zu spät läutern lässt, analog zu unzähligen Teenhorrorfilmen, in denen die lüsternen Freundinnen der Hauptfigur stets für ihre Sünden bestraft werden, da kann sie noch so viel bereuen – so viel Katechismus muss sein. Das darf man dem Film auch nicht übelnehmen, schon gar nicht einer Comicverfilmung. Immerhin: Was es mit Marion Catillard als Miranda Tate auf sich hat, ist da schon weniger klar, was noch lange nicht heißt, dass wir es mit einem komplexen Charakter zu tun haben. Leider.
Bis ungefähr zur Mitte lässt man sich das Treiben auf der Leinwand gefallen, schließlich muss die alte Batmanmaschine samt fahrbaren Untersätzen wieder aufgemöbelt werden (mit der klassischen Verzögerung freilich), Bane hat seine martialischen Auftritte und Anne Hathaway sorgt als charmante Dreingabe für ein klein wenig Humor in dem ansonsten recht ironiefreien Plot.
Wirklich unterirdisch unterkomplex aber wird das Drehbuch im vierten Akt, also nach dem Höhepunkt der Krisis und vor dem Finale. Stelle dir vor, es ist ein Volksaufstand, und keiner geht hin. Da hat man nun schon die Französische Revolution neu inszeniert, mit ihrem superdesignten Gerichtshügel – wo aber ist das Volk, das nach ihr schreit? Die These lautet, dass die korrupte Stadtregierung durch Anarchie ersetzt werde, nur sieht man davon nichts, weder vom Volkszorn noch irgendeiner ausbrechenden Anarchie. Das Ganze scheint keinen Menschen zu interessieren. Auch nicht das Publikum. Das sollen die Revolutionäre sein? Eine gesichtslose Horde Clowns in abenteuerlichen Kostümen aus den Archiven der Mad-Max-Filme? Schließlich: was hat ihr Leitwolf Bane als Neodanton zu sagen? Nun, nicht viel. Das lässt die Usurpatoren insgesamt etwas orientierungslos aussehen, was ihrem Bedrohungspotenzial nicht gerade förderlich ist.
Klar, es tickt eine Atombombe, aber das reicht nicht, denn erstens explodiert die sowieso nicht, und falls doch, dann erst gegen Ende, doch davor droht eine viel größere Gefahr: Das Drehbuch droht abzusaufen. Um so wilder versuchen drei übriggebliebene gute Seelen die alte Ordnung wieder herzustellen, wobei sie sich so rührend abmühen wie sich die 3000 Polizisten dämlich benehmen. Merke: Horden von Polizisten sind in diesem Genre dümmer als die Polizei erlaubt.
Nein, empfehlen kann ich den Film nicht, wozu auch. Es werden ihn sich sowieso genug Leute ansehen, nebst den Batman-Aficionados und Nolan-Followers auch alle Fans des wirklich eindrücklichen Vorgängers von 2008. Dass der Film ab 12 freigegeben ist, erlaubt es sogar ganzen Familien, ins Sommerkino zu pilgern und sich mit Popcorn XXL im Arm zu wundern, dass trotz allerlei Spektakel kaum Tote zu sehen sind. Eine Marketingstrategie, der ich durchaus etwas abgewinnen kann, aber sie tröstet nicht darüber hinweg, dass mich die Fledermaus doch wieder weniger interessiert als bevor ich mir den Schluss der Trilogie angesehen habe.

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