Mittwoch, 28. August 2013

Unconditional (UK 2012)


Deutscher Titel: Owens erste Liebe

Regie: Bryn Higgins

Mit Harry McEntire, Christian Cooke, Madeleine Clark


Zartes, brüchiges Rosa

Owen lebt noch nicht lange genug, um sich mit der Liebe auszukennen. Mit 16 ist er noch Jungfrau und das Leben ist anderswo – jedenfalls nicht in dieser Siedlung in einer westenglischen Stadt. Sein Dasein erschöpft sich darin, gemeinsam mit Zwillingsschwester Kristen die pflegebedürftige Mutter über die Runden zu bringen. Kein Vater, nirgends, keine Freunde, Geld auch nicht, das Leben droht vorbeizuziehen. Bonjour tristesse.

Dann kommt das Leben doch, es schneit direkt ins Haus, und zwar in Gestalt eines smarten Finanzberaters mit ewigem Dreitagebart. Liam – Typ windiger Aufsteiger, schäbiger Glamour und Heckspoiler am blauen Möchtegernsportwagen – scheint zunächst an Kirsten interessiert, doch es ist Owen, den er zu einer nächtlichen Spritztour einlädt. Trubel, Rausch, Verwirrung. Die Nacht endet in Liams Wohnung und mit einer Überraschung: Der gut zehn Jahre Ältere steht auf Jungs in Frauenkleidern. Und Owen sei seine Offenbarung. Wow.

***

›Unconditional‹ erzählt vom zarten Beginn einer Liebesgeschichte auf wackligen Beinen. Für Liam scheint die Sache klar, wie ein Puppenspieler manövriert er den unerfahrenen Owen in eine Rolle voller Bedingungen. Nicht mal küssen geht ohne Perücke. Schließlich stehe er nicht auf Jungs. Du lieber Himmel. Derselbe Liam predigt Owen, Liebe müsse bedingungslos sein, unconditional, sonst sei es eben keine Liebe. Nachtigall, ick hör dir trapsen.

Owen ist auch ohne diesen Widerspruch vor allem eins: irritiert. Ihm fehlt die Vergleichsgröße. Muss das so sein? Heißt Liebe ein Spiel spielen? Was genau fühle ich dabei? Wie muss ich das einordnen? 
Er lässt sich ein, weshalb genau, dazu verweigert das Drehbuch die Antwort, vielleicht weil es keine gibt, vielleicht bloß aus Ermangelung interessanter Alternativen. Denn immerhin: wie aufregend! ein Stück Leben ganz für sich! Ohne SchwesterMutterÖdnisforever. Und außerdem hat Liam Geld. Was einem als seelenlose Glitzerwelt vorkommen mag, ist einem anderen unter gewissen Umständen Gelobtes Land. 
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Der Film lebt von der knisternden Atmosphäre: die wilde Verruchtheit des Ungehörigen, das Rollenspiel, das geteilte Geheimnis, die Spannungen zwischen dem ungleichen Paar, die Taufrische des Neuen sowieso. Aufbruch in alle Richtungen. Und er lebt von der magischen Verwandlung Owens zu einer jungen Frau und zurück. Was für ein krasser Unterschied, zwei Menschen und doch einer. Wirklich schön. Und wirklich lustig, wenn so viel glatte Eleganz dann in High Heels gesteckt wird. Es sind aber zarte Töne, kein platter Humor, keine billigen Lacher, man bleibt immer ganz nah bei den beiden Protagonisten – und ihrem Elend. Ganz ohne Außenwelt, wie in einem Kammerspiel.

Hinzu kommt die verwahrlost bis trashige Umgebung von Englands zartrauhen Westen: billige Hochzeitszimmer, cheap candy und das ewige Blackpool lassen an Horvath denken, an seine Kasimirs, Karolines und die anderen verlorenen Seelen. Dazu die krachende Brandung an der Küste. Das alles passt schön zur melancholischen Grundstimmung dieser Coming-of-Age-Geschichte der außergewöhnlichen Art. Ein idealer Film für verregnete Dienstagabende.

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