Sonntag, 15. September 2013

A Late Quartet (US 2012)


Regie: Yaron Zilberman
Mit: Christopher Walken, Philip Seymour Hoffman,
Catherine Keener, Mark Ivanir, Imogen Poots

Trailer

Großes Kammerspiel um Kammermusiker


›A Late Quartet‹ ist ein reiner Schauspielerfilm – sorgfältiges Drehbuch, unspektakuläre Einstellungen, leise Töne, Gesichter in groß, Beethoven satt. Und Christopher Walken spielt sie alle an die Wand.

Meine Lieblingsszene: Er sitzt mit seinem Cello vor einer Klasse und erzählt eine Geschichte. That's it. Die Szene birgt mehr Spannung als so mancher laute Thriller, und warum? Weil man lange nicht weiß, worauf das rausläuft, was er da erzählt, worin der Sinn der Anekdote liegen soll, welche Farbe sie hat, welche Gefühle sie auslösen wird. Es ist die Art und Weise, wie er sie erzählt, die Ruhe, seine innere Gelassenheit, die Pausen, das Tempo. Und weil Walken resp. seine Figur einen Geisteszustand verkörpert, in dem er sich und seinen Mitmenschen nichts mehr vormacht, weil er einfach keine Lust mehr dazu hat. Gute Voraussetzungen für große, stille Kinomomente. 



Natürlich ist das sehr inszeniert, natürlich ist das auch die typisch amerikanische Art, die Weisheit des weisen Mannes in Szene zu setzen. Jaja, schon klar. Und dennoch ist es in diesem Fall etwas anderes. Solchem Schauspielporno gehe ich ganz gerne auf den Leim. Weil ich glaube, dass mir good old Christopher, käme er durch eine magische Laune der Weltgeschichte auf meinem Sofa zu sitzen, die Geschichte auch ohne Drehbuch genau so erzählen würde.

Im Gegensatz zu anderen seines Fachs setzt Christopher Walken nicht andauernd so ein vor Eitelkeit trunkenes Gesicht auf, das auf einer zweiten Ebene unaufhörlich sich selber applaudiert: siehst du jetzt, wie toll ich das erzählen kann? Walken trägt kein T-Shirt mit der Aufschrift: cooler Mann erzählt unglaublich kluge Geschichte. Wenn schon, dann steht drauf: Wait. Listen. Das find ich echt cool. Und damit überzeugt er mich mehr als andere altgediente Leinwandheroen wie beispielsweise de Niro oder Dustin Hoffman etc.



Die Geschichte des Films ist die einer sorgfältig vertrackten Viererbande. Juliette ist mit Robert verheiratet, begehrt insgeheim aber Daniel – am nächsten steht sie aber Peter. Und mit allen drei spielt sie in dem Quartett. Erste Geige, Zweite Geige, Bratsche, Cello. Der zentrale Konflikt, um den sich die kleine Geschichte dreht, ist der Umstand, dass Peter krank wird und Robert nicht mehr die zweite Geige spielen will, im Leben wie im Quartett.


Und dann findet auch noch Alexandra (Imogen Poots)  ihren Lehrer Daniel gaanz toll. So gerät eine intime Zusammenarbeit aus der fragilen Balance, die immerhin satte 25 Jahre gehalten hat. Und ab die Post.


Es ist die Art Film, bei der man dranbleibt, weil man den Gesichtern so gerne zusieht – sie erzählen viel, ohne dauernd alles auszusprechen. Von den kleinen Nöten und den großen Eitelkeiten, von Freundschaft, Stillhalten und schwelenden Konflikten, Minderwertigkeitskomplexen, der hehren Kunst, die alles in den Schatten stellen soll und keinen Raum für Konflikte zulässt.

Dass keiner aus der namhaften Schauspielrriege wirklich Ahnung hat, wie man ein Instrumente hält, auf denen sie doch vorgeben, so versiert zu sein, das ist allerdings bedauerlich. Den Hinweis gab mir ein befreundeter Musiker, dem nur ein kurzer Trailer genügte, aufzuseufzen. Er beklagte zu recht, man hätte bei diesen Gagen doch ruhig einen armen Musikstudenten zur Beratung heranziehen können. Schließlich überbieten sie sich in anderen Genres ja gerne mit hartem Training in  irgendwelche Techniken aus verlassenen chinesischen oder japanischen Tälern oder fasten sich die Seele aus dem Leib. 

Die Antwort im Falle der richtigen Griffhaltung auf Streichinstrumenten liegt auf der Hand: Während die körperliche Fitness dem Schauspieler und der Schauspielerin auch im persönlichen Leben viel Lorbeer und Bewunderung einbringen (das Kleid sitzt, die Muskeln straff), bekommt nur müden Applaus, wer an öffentlichen Veranstaltungen oder auf Partys eine Violine in die Hand nimmt – um ihr dann nichts als ein Krächzen zu entlocken. So viel zum Narzissmus der Schauspielerei. »Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!« (Faust I.)

A propos Party: Bruno Ganz, Träger des Iffland-Rings und lebende Legende, hat sich den hitlerschen Duktus für seine Rolle in Hirschbiegels ›Untergang‹ (Trailer) so perfekt angeeignet, dass er noch Jahre danach an privaten Festen immer aufgefordert worden sein soll, den Adolf zu geben. Ausgerechnet. Er hätte nachträglich sicher auch lieber Six-Packs trainiert. Ein hartes Brot.



PS Ich beantrage Strafverfolgung für den deutschen Titel: ›Saiten des Lebens‹ … (give me a break)

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