Sonntag, 10. Januar 2016

The Big Short (USA 2015)



Regie: Adam McKay

Mit: Christian Bale, Ryan Gosling, Brad Pitt etc.


Traurige Geldkrieger

Subprimes, Swaps und C.D.O.s. Wer kein Kredithai ist oder vor dem Kinobesuch Michael Lewis' Vorlage gelesen hat, wird in diesem Film ganz viel erst mal nicht verstehen. Dafür hat der aalglatte Erzähler und Mitspieler Jared Vennett (Ryan Gosling mit diesmal ganz furchtbaren Haarschnitt) bereits in den ersten Filmminuten sehr viel Verständnis. Weshalb er sich in der Folge alle Mühe gibt, die für Nichtbörsianer obskuren Begriffe sowie die Prozesse, in denen sie eine Rolle spielen, vorbuchstabieren zu lassen,– zum Beispiel von einem Hotelkoch anhand von nicht mehr ganz frischem Kabeljau, an einem Black-Jack-Spieltisch (yep!) oder von einer blonden bombshell im Schaumbad. So weit, so genial.

A propos bombshell. Schon in den ersten Filmminuten wähnt man sich im Krieg, einem Krieg um Zahlen und deren Bedeutung. Die rasant montierten Informationen fliegen einem nur so um die Ohren. Man ahnt, dass das keine cineastische Kreuzfahrt wird, eher eine textdominierte Achterbahn. Was soll's. Anschnallen und los. Selten habe ich einen ganzen Film lang immer wieder damit gekämpft, so etwas wie eine Übersicht zu gewinnen. Das ist wohl Absicht.

Worum geht's? Es geht um die Entstehung der Finanzkrise 2008 und um die paar Nasen, die früher als alle anderen Lunte riechen: Es ist was faul auf dem Häusermarkt. Sie wollen das aber nicht etwa verhindern, sondern damit Geld verdienen.
Die dramatis persone ist insofern außerordentlich, als es keine wirkliche Identifikationsfigur gibt, kein gut und böse. Kaffee trinken möchte man mit keinem dieser Leute, es sei denn sie erklärten einem den Finanzmarkt so, dass für den Rest des Lebens keine Fragen mehr offen sind.

***

Der sehr starke und uneitle Christian Bale hätte das Zeug zum Helden. Wenn er denn auf der richtigen Seite stehen würde. Tut er aber nicht. Dort steht nämlich keiner der Beteiligten.
Bale gibt den freakigen Analysten Michael Burry, ein ehemaliger Arzt, der auf seinem Doktortitel besteht und am besten nachdenken kann, wenn er mit Kopfhörern Metal hört und dazu Schlagzeug spielt. Barfuß und in Turnhosen tappt er manchmal aus seinem Büro und malt Zahlen auf ein Flipchart.
Man soll ihn für sein offensichtliches mathematisches Genie bewundern (klappt), amüsiert sich über seine autistische Kauzigkeit, und findet ihn jedenfalls sympathischer als seinen wütenden Chef, der Angst um sein Geld hat. Aber um ihn zu mögen oder um ihn zu bangen, dazu fehlt zur fehlenden guten Absicht auch der Zugang zu seinem Wesen, er läßt einen nicht ran, gefangen in sich. Eine arme Sau ohne Privatleben. Vermutlich ist es genau das, was ihn einem sympathisch macht. Er lebt für seinen Job, aber ohne jede Gier. Er will nur Recht behalten mit seinen Analysen.

Mark Baum (Steve Carell) hingegen wächst einem im Verlauf des Films richtig ans Herz, obwohl oder gerade weil er am Tourette-Syndrom zu leiden scheint. Er scheint an der Verrücktheit des Geschäfts zu verzweifeln. Wie ein Berserker am Rande des Nervenzusammenbruchs flucht und schimpft er sich durch die Szenen. Dass der Mann massiv am Rad dreht und dass dahinter eine Tragödie steht, wird bald klar, seine Frau kümmert sich darum, dass er rechtzeitig in die Therapie kommt, aber auch er lebt – trotz Familie – ausschließlich in der Welt der Zahlen und Statistiken. Unglücklich, aber damit durchaus glücklich. Er geht wie der so eitle wie unsympathische Venett und Dr. Burry und alle anderen auch komplett im Business auf. Und alle wollen nur verdienen. Da gibt's eigentlich gar nichts zu bewundern.

Der Glamour fehlt komplett. Glücklich wirkt keiner dieser Protagonisten der Schlacht ums große Absahnen auf Kosten anderer. Das wurde mir so richtig erst einen tag später bewusst, und man empfindet es als ausgleichende Gerechtigkeit – wenn man sich das kriminelle Potenzial und die Unsummen vor Augen führt, das diese traurigen Geldkrieger aus dem Existenzverlust Tausender Menschen zu ziehen hoffen. Konsequenterweise sieht man sie in keiner einzigen Szene mal entspannen. Sie ruhen sich nie aus, haben kein Privatleben, sehen die meiste Zeit ungewaschen und kaputt aus. Außer Brad Pitt alias Ben Rickert, ein bekehrter Guru des Business, der nun nicht mehr alles über Zahlen wissen will, sondern über Bio-Produkte.
Rickert ist es dann auch, der zwei Gewinnern der Krise den Freudentanz verbietet. Er, der ihnen dabei geholfen hat. Nicht mehr als ein Feigenblatt für den vermeintlichen Softie.


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